27.05.2015
Ende der Strategie der Spannung?
[MH]
- Teil 3 -
Als im Herbst 1990 durch Italiens damaligem Ministerpräsidenten Giulio Andreotti bekannt wurde, dass die NATO eine Geheimarmee unterhält, die nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa unter verschiedenen Namen aktiv ist und unter Mithilfe von CIA und MI6 aufgebaut, ausgerüstet, trainiert und koordiniert wurde, kam ein Stein ins Rollen, der auch andere Regierungen dazu zwang, diese Tatsache zuzugeben.
Sowohl NATO als auch CIA und MI6 weigern sich weiterhin standhaft über dieses Thema zu sprechen. Einer Studie des Center for Security Studies (CSS) nach, lässt sich eine direkte Beteiligung der Geheimdienste aber bestätigen. Weiterhin wurde bekannt, dass die NATO über zwei geheime Unterabteilungen die Stay-behind-Armeen koordinierte: das Allied Clandestine Committee (ACC) und das Clandestine Planning Committee (CPC).
In der Folge wurde ebenso bekannt, dass in folgenden Ländern Geheimarmeen unterhalten wurden:
Frankreich
Italien
Deutschland
Portugal
Spanien
Türkei
Belgien
Norwegen
Niederlande
Griechenland
Luxemburg
Dänemark
sowie in den neutralen Ländern Schweden, Schweiz, Österreich und Finnland [1]
Der Fall der Mauer, die Wiedervereinigung Deutschlands und der Zusammenbruch der Sowjetunion bestimmten die aktuellen Schlagzeilen dieser Zeit und die unglaubliche Tragweite der Existenz von NATO-Geheimarmeen ging schlichtweg unter. Lediglich in drei Ländern wurde eine parlamentarische Untersuchungkommission errichtet, der sich mit den Aktionen dieser Stay-behind-Truppen beschäftigen sollte: Schweiz, Belgien und Italien.
Als gesichert gilt, dass die Geheimdienste in Deutschland (und in anderen Ländern) vorwiegend Personen aus dem rechtsextremen Lager rekrutierten und hierzulande ehemalige SS-Angehörige und Ex-Agenten der Spionageabteilung „Fremde Heere Ost“ anwarben. Fremde Heere Ost unterstand dem Hitler-General und späteren Chef des BND Reinhard Gehlen.
Der ehemalige SS-Hauptsturmführer Hans Otto stellte sich 1952 der Kriminalpolizei in Frankfurt und gestand mit gut hundert weiteren Beteiligten zu einer geheimen Widerstandsgruppe zu gehören, die für den Fall einer sowjetischen Invasion trainiere und zahlreiche Waffenlager unterhält. Die ganze Truppe werde von den Amerikanern (gemeint war der amerikanische Geheimdienst) unterstützt.
Die Ermittlungen der Kripo ergaben, dass etliche Politiker auf einer Abschussliste standen, die der „Bund Deutscher Jugend“ als innenpolitischen Feind im Auge hatte. Darunter nicht nur Politiker der Kommunistischen Partei, sondern auch SPD-Politiker wie Herbert Wehner.
Einige der Mitglieder des Bundes Deutscher Jugend wurden inhaftiert und die Liste der Namen, die zum Abschuss bereit gestellt wurden, sorgten für große Aufregung in den Landesparlamenten.
Die Bundesanwaltschaft jedoch ordnete die Freilassung der Mitglieder dieser Geheimarmee an und spielte den Fall herunter.
Somit gilt ebenso als gesichert, dass deutsche Behörden bereits im Jahre 1952 detailliert über diese Stay-Behind-Armeen informiert waren aber in keiner Weise aufklärend, sondern eher vertuschend agierten.
Ähnlichkeiten und Verbindungen zum Oktoberfestattentat, bei dem ebenso eine rechtsextreme Wehrsportgruppe in Verbindung mit Waffenlagern und Stay-Behind-Aktionen unter falscher Flagge eine Rolle spielten und Verbindungen zu Geheimdiensten im In- und Ausland zum Thema wurden, werden nur sehr ungern betrachtet.
Seit 1990 gelten diese Geheimarmeen als aufgelöst. Unklar blieben seither der Verbleib etlicher Waffenlager und deren Quelle.
Während der italienische Senat in der Untersuchungskommission „Terrorismus und Massaker“ (1994-2000) feststellte, dass die Attentate der Gladio-Geheimarmeen organisiert und unterstützt wurden von Personen in Institutionen des italienischen Staates und von Männern, die mit dem amerikanischen Geheimdienst in Verbindung standen, wurde in Deutschland bisher jegliche Verbindung solcher Anschläge (wie das Oktoberfest-Attentat) mit Gladio abgestritten und nicht weiter untersucht. [2]
Die NATO-Geheimarmeen mögen vielleicht in dieser Form nicht mehr existieren, fraglich jedoch bleibt, wie weit die Strategie der Spannung im Alltagsgeschäft der Geheimdienste im sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus“ immer noch als wirksames Mittel eingesetzt wird. Die Verwicklung von Geheimdiensten in terroristische Anschläge und die damit verbundenen Muster lassen fast schon keinen anderen Schluss zu.
Und wenn man sich die jüngsten Ereignisse betrachtet, wie den NSU-Skandal, die BND/NSA-Affäre etc., so scheint es, als operieren Geheimdienste immer noch - weit entfernt von nationalen Interessen - für eine weit übergeordnete, geostrategische Politik, die sich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges nie geändert hat. Nur die Vorzeichen und Farben ändern sich, die Strategie der Spannung aber bleibt.
Quellen:
[1] http://www.php.isn.ethz.ch/news/mediadesk/documents/bund_20_12_2004.pdf
[2] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39997525.html