.

??? Forum



FORUM >


??? Forum - Semco: Die Befreiung der Arbeit

Du befindest dich hier:
??? Forum => Externe Texte => Semco: Die Befreiung der Arbeit

<-Zurück

 1 

Weiter->


mahnwache-sb
(27 Posts bisher)
31.07.2014 01:04 (UTC)[zitieren]
Quelle: sein.de, 2010

Die Befreiung der Arbeit: Das 7-Tage-Wochenende

Weltweit starren Manager fassungslos auf die brasilianische Firma Semco,
eine sehr breit aufgestellte Dienstleistungsfirma, die von
Industrieequipment bis zu Postlösungen in diversen Feldern tätig ist: Was
dort passiert, widerspricht allem, an was sie glauben. Die 3000 Mitarbeiter
wählen ihre Vorgesetzten, bestimmen ihre eigenen Arbeitszeiten und
Gehälter. Es gibt keine Geschäftspläne, keine Personalabteilung, fast keine
Hierarchie. Alle Gewinne werden per Abstimmung aufgeteilt, die Gehälter
und sämtliche Geschäftsbücher sind für alle einsehbar, die Emails dafür
strikt privat und wie viel Geld die Mitarbeiter für Geschäftsreisen oder ihre
Computer ausgeben, ist ihnen selbst überlassen.


Respekt als Erfolgsrezept

Was für heutige Personalchefs klingen mag, wie ein anarchischer
Alptraum, ist in Wirklichkeit eine Erfolgsgeschichte. Seit das Unternehmen
von Inhaber Ricardo Semler umgestellt wurde, stiegen die Gewinne von
35 Millionen auf 220 Millionen Dollar. Und nicht nur die Zahlen geben
Semler recht, sondern vor allem die Mitarbeiter: Die Fluktuationsrate bei
Semco liegt unter einem Prozent.

Das Rezept ist einfach: Behandele deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann
verhalten sie sich auch so. Je mehr Freiheiten du ihnen gibst, desto
produktiver, zufriedener und innovativer werden sie. Ein Unternehmen
besteht aus erwachsenen gleichberechtigten Menschen, nicht aus
Arbeitskräften. Jeder hat das Recht, sich frei zu entfalten und eine
gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Entgegen
allem, was man aktuell zu glauben scheint, machen Druck und Stress
Menschen nicht produktiv, sondern ganz einfach nur kaputt. Und dabei
verliert das Unternehmen letztlich genauso wie der Mensch.

Es geht Semler um ein neues Verständnis von Arbeit: Eine Firma ist ein
Gemeinschaftsprojekt, im besten Fall eine geteilte Leidenschaft. Die
Gesellschaft hat uns das allerdings anders beigebracht, wir sollen uns als
Steinmetze, Maler und Hilfsarbeiter sehen, nicht als Kathedralen-Schöpfer.
Bei Semco sind die Mitarbeiter essenzieller Teil eines Ganzen, sie sind Mit-
Schöpfer, nicht bloß ein Rädchen im System. Sie haben Ideen, sie
verstehen ihre Arbeit, sie wissen, was sie wert ist.


Vertrauen statt Kontrolle

Aber unsere Personalchefs glauben noch immer, dass man Angestellte
kontrollieren muss, über Stechuhren, feste Arbeitszeiten, Produktivitäts-
Reports und Email-Spionage. Semco hat das alles aufgegeben und die
Kontrolle durch Vertrauen ersetzt - und mal im Ernst: Wer will eigentlich
mit Leuten zusammenarbeiten, denen man nicht trauen kann?

Für Semler ist der Kontrollwahn der meisten Unternehmen einfach nur
noch verrückt. Seine Mitarbeiter erziehen ihre Kinder und wählen
Gouverneure, es sind erwachsene Menschen, die selbst am besten wissen,
was sie möchten und brauchen.

"Es ist völlig verrückt, diese Idee, dass die Menschen immer noch so
fixiert darauf sind, wie etwas gemacht wird. Bei uns sagt keiner: 'Du bist
fünf Minuten zu spät' oder 'warum geht dieser Fabrikarbeiter schon wieder
aufs Klo?' [...] Wenn Du dich bei Semco im Büro umsiehst, sind da immer
jede Menge leere Plätze. Die Frage ist: Wo sind diese Leute? Ich hab nicht
die leiseste Idee und es interessiert mich auch nicht.

Es interessiert mich in dem Sinne nicht, dass ich nicht sicherstellen
möchte, dass meine Mitarbeiter zur Arbeit kommen und der Firma eine
bestimmte Anzahl Stunden pro Tag geben. Wer braucht eine bestimmte
Anzahl Stunden pro Tag? Wir brauchen Leute, die ein bestimmtes
Ergebnis abliefern. Mit vier Stunden, acht Stunden oder zwölf Stunden im
Büro - sonntags kommen und Montags zu Hause bleiben. Es ist irrelevant
für mich", erklärt Semler seltsam einleuchtend.


Keine Hierachie, dafür Teams

Semco ist etwas, dass es laut dem Menschenbild heutiger Manager
eigentlich gar nicht geben dürfte. Und wenn doch, dann dürfte es nicht
funktionieren. Tut es aber. Drei Fragen hört Semler immer wieder: Macht
ihr das wirklich so? Funktioniert es ganz im Ernst? Und: Was jetzt?

Die ersten zwei sind einfach zu beantworten: "Wir machen das jetzt seit
25 Jahren, so ziemlicher jeder, den es wirklich interessiert, ist
hergekommen, um zu sehen, ob es wahr ist. Und unsere Zahlen sind über
jeden Zweifel erhaben", sagt Semler selbstbewusst.

Für ihn ist war das Aufbrechen der Unternehmensstruktur von Anfang an
keine Traumtänzerei, sondern vielmehr die einzig mögliche Antwort auf
unsere unmenschliche Arbeitswelt. Er hat es auf die harte Tour gelernt,
wachte selbst erst auf, als er kollabierte und mit Komplett-Burnout in ein
Krankenhaus eingeliefert wurde. Das war der Punkt, an dem er beschloss,
seine geistige und körperliche Gesundheit nie mehr dem Job
unterzuordnen - und das auch von seinen Angestellten nicht zu verlangen.
Dass der Wahnsinn ein Ende haben muss.

"Wenn man es sich genauer ansieht, muss man feststellen, dass das
traditionelle System nicht funktioniert. Und das ist der Anreiz, sich nach
etwas anderem umzusehen" - so einfach sieht Semler das.

Doch es fehlt vielen Unternehmern noch immer schwer, die Kontrolle
loszulassen. Denn heutige Firmen sind nicht aufgebaut wie Orte des
Schöpfens, sondern wie das Militär: mit einer hierarchischen
Machtstruktur, mit Befehlsgebern und -empfängern. Semco hingegen ist
in konzentrischen und durchlässigen Kreisen aufgebaut, es gibt keine
Arbeitstitel, keine festen Büros. Niemand muss zur Arbeit kommen, ob von
zu Hause, aus dem Dschungel oder einem Cafe an der Strandpromenade
gearbeitet wird, ist den einzelnen Mitarbeitern und Teams selbst
überlassen.

Diese Teams sind das Herzstück von Semco. Die Menschen arbeiten in
Gruppen, die jeweils ein Produkt oder ein Zwischenprodukt selbstständig
fertigstellen. Wie sie das machen, in welcher Zeit und mit welchem Geld,
das ist ihre Sache. Wer zwischendurch schlafen will, geht einfach in den
Firmengarten und legt sich für ein paar Stunden in die Hängematte - wer
müde ist, macht ja eh nur Fehler.


Die Firma ohne Personalabteilung

Semco hat 3000 Mitarbeiter, aber keine Personalabteilung, da steht dem
traditionellen Unternehmer der Angstschweiß auf der Stirn. Wer stellt
diese Leute ein? Wer überprüft die Leistung?

Das machen die Angestellten alles selbst. Stellt ein Team fest, dass eine
neue Person gebraucht wird, schreibt sie im Intranet der Firma ein
entsprechendes Meeting aus. Das ist natürlich freiwillig: Alle können
kommen, keiner muss.

"Wir wollen nicht, dass irgendwer in etwas verwickelt wird, was ihn nicht
interessiert, deshalb sind alle Meetings freiwillig. Das heißt die Meetings
werden bekanntgegeben und wer interessiert ist, kann und wird
vorbeikommen und soll in dem Moment den Raum wieder verlassen, wenn
es anfängt, ihn zu langweilen", erklärt Semler die Meeting-Philosophie.

Leute, die mitten in einem Meeting gehen, weil es sie langweilt - das
würde so manchen Vorgesetzten in den Wahnsinn treiben. Aber bei Semco
sollen eben nur die Menschen eine Entscheidung treffen und tragen, die es
unmittelbar angeht und interessiert.

Auf so einem Meeting könnte zum Beispiel beschlossen werden, dass
neuer Mitarbeiter gebraucht wird und was er oder sie können muss. Dann
wird gemeinschaftlich eine Annonce geschrieben, und sobald die
Bewerbungen kommen, werden sie im Team aufgeteilt: Jeder, der möchte,
nimmt einfach ein paar mit nach Hause und bringt die interessantesten
dann wieder mit. Statt Vorstellungsgesprächen gibt es ein
Gruppengespräch mit allen Kandidaten gleichzeitig - auch hier darf
kommen, wer will.

Die einzigen Mitarbeiter, die regelmäßig formal bewertet werden, sind jene
in Entscheidungs-Positionen - und zwar von allen anderen. Sollte einer
dieser Manager wiederholt schlechte Bewertungen kriegen, geht er für
gewöhnlich von selbst.


Gruppenzwang

Tatsächlich regeln die Teams fast alles unter sich. Macht jemand keinen
guten Job, so wird das im Team diskutiert, oder ein Meeting einberufen.
Wer sich ein hohes Gehalt zuteilt, erhöht damit auch die Erwartungen des
Teams und den Leistungsdruck. Aber auch die Mitarbeiter haben
mittlerweile ein anderes Verhältnis zur Arbeit: Wenn jemand einen Haufen
Geld verdient, die ganze Woche eigentlich nur Golf spielt, aber trotzdem
einen guten Job macht und seine Aufgaben erledigt - wen kümmert's
dann? Was zählt, ist das Ergebnis.

Eine Studie von CNN hat festgestellt, dass die Mitarbeiter bei Semco eine
sehr viel gesündere Balance zwischen Privatleben und Beruf haben, sich
mehr Zeit für Beziehungen, Kinder und Hobbys nehmen, aber gleichzeitig
auch ungewöhnlich hohen Einsatz und bemerkenswerte Leistungen im
Beruf zeigen. Nicht trotz, sondern wegen der Freiheiten. Für Semler ist
das wenig verwunderlich: Menschen müssen sich entfalten können, um ihr
Potenzial optimal einzubringen.


Und es funktioniert

Semler ist sich sicher: Sein Konzept funktioniert überall. Er selbst hat es in
Fabriken ebenso eingesetzt, wie in IT-Büros. Tatsächlich ist es eigentlich
andersherum - es funktioniert überhaupt nur so. Unsere derzeitige
Arbeitswelt mit ihren Burn-Out-Syndromen, mit Mobbing, Stress,
Magengeschwüren und Depressionen funktioniert nämlich eben nicht, sie
ist fortgesetzter Wahnsinn.

Es wird Zeit, dass wir eine Gesellschaft erschaffen, in der Beruf wieder mit
Berufung und Leidenschaft assoziiert wird, nicht mit Sklaverei und
Ausbeutung. In der Menschen wieder freie Entscheidungen treffen können
und mit Respekt behandelt werden. In der Privatleben und Arbeit
gleichwertig sind – auch für die Vorgesetzten.
Es wird Zeit für das 7-Tage-Wochenende!

Antworten:

Dein Nickname:

 Schriftfarbe:

 Schriftgröße:
Tags schließen



Themen gesamt: 31
Posts gesamt: 30
Benutzer gesamt: 1
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden